Vorab: Respekt für Adam Curtis. Ihm ist einer der scharfsinnigsten Denkapparate eigen – wenn es um den Einfluss von Medien und kollektivistischem Denken auf die Entwicklung der Gesellschaft geht. An einer Stelle von “Hypernormalisation” bemerkt Adam Curtis so zutreffend:
What makes people feel secure is having themselves reflected back to them – just like in a mirror.
Adam beschreibt, die psychologischen Grundlagen, warum wir alle sehr gerne in Bubbles leben. Dagegen kann man nicht viel tun und dagegen ist auch grundsätzlich nichts einzuwenden. Problematisch wird es aber dann, wenn aus einer Bubble eine Gummizelle wird.
Bubble Hopping
Wenn immer wir mit Kunden über Fragen der Innovation sprechen (und das ist an sich schon ein gutes Zeichen, wenn sie darüber mit uns sprechen wollen), dann haben sie schon verstanden, dass sie nicht in ihrer Bubble bleiben können. Wenn es soweit gekommen ist, dass sie ihre Bubble öffnen, passiert etwas sehr Paradoxes: Sie wollen sofort in eine neue Bubble!
Unser etwas angestaubte Kunde “Feigenbutz Industries” wollte nach einem Besuch eines unser immer sofort ausverkauften Inspirational Talks in einem Co-Working Space sofort sein bisheriges Leben hinter sich lassen. Er wollte nicht mehr zurück in sein herrschaftliches Büro mit Vorzimmer, das über dem für ihn reservierten Parkplatz thront (was auch den Nebeneffekt hat, dass Simon Feigenbutz alle zu spät kommenden Mitarbeiter registrieren kann), er wollte sich in einem beengten Coworking Space neben Charlotte, Tranh Nam und Kai hocken, einen Hoodie tragen und diese angesagten Kopfhörer über seinem angegrauten aber immer noch vollen Haar.
Da er sich spontan in Sheila vom Empfang verliebte, spielte er sogar mit dem Gedanken, aus seiner Ehe auszubrechen. Simon war besessen von digitalen Benchmarks und wollte in ein digitales Alter Ego schlüpfen – die coole Variante seiner selbst, die er nie war. Er hatte das Familienunternehmen übernommen. Und die dazugehörige Attitüde. Die vernarbte Was-hätte-sein-können-Wunde war aufgebrochen.
Simon, Du kannst diese Kopfhörer kaufen. Bei Sheila wirst Du nicht landen. Und auch das Hocken zwischen Charlotte, Tranh Nam und Kai wirst Du nicht lange durchhalten. Simon, Disruption bedeutet nicht, Brücken zu verbrennen. Simon, eine letzte Botschaft: Die alte Bubble ist ein geschlossener Raum, die neue auch.
Dehnen nicht vergessen
Garzarolli und Schneller arbeiten an De-Bubbling. Das bedeutet, die Welt mit seinen Widersprüchlichkeiten und Inkongruenzen auszuhalten. Nur, wenn man bereit ist, diese Dehnungsstreifen und Spannungsschmerzen der Wirklichkeit auszuhalten, hat man das Zeug zum Innovator. In Blasen-Denken führt zu Zu-Kurz-Denken. Das ist einer der vielen Antagonisten von Freidenken. Denn Freidenken akzeptiert keine Grenzen, auch wenn sie nur Membranen sind.
Das, was wir Simon raten ist, in seiner Welt zu bleiben. Hier liegt Dein Erfahrungsschatz. Sei Dir Deiner Erfahrungen bewusst und schiebe sie beiseite. Mache Platz für Neues. Verstelle Dich aber nicht für das Neue, sondern fordere das Neue mit dem Alten heraus. Respektiere das Alte und das Neue, unterwerfe Dich aber keinem von beiden. Verlasse Deine Bubble und fordere dabei jegliche neue Bubble heraus, der Du begegnest, so auch den Coworking Space. Vielleicht wird es dann doch was mit Sheila. Tendenz nein. Tranh Nam ist auch noch da:
„Ich nehme an, das ist ihr Nachnamen, Frau Tranh Nam. Schauen sie sich dieses wundervolle hierarchische Organigramm meines Unternehmens an. Ich bin hier ganz oben. Wir stellen Pumpenkugelhähne in absoluter analoger Präzisionsarbeit her. Gucken sie mal auf www.feigenbutz-online.de“
Tranh Nam wird Dich direkt abschreiben. Ihre skeptische Vorahnung durch den Anblick Deiner Koss Porta Pro Kopfhörer wird Bestätigung erhalten. Dadurch wirst Du auch den Zugang zur gesamten Coworking Community verlieren. Erstmal. Tranh Nam wird Dich aber in Erinnerung behalten. Später wird sie realisieren, wie borniert sie eigentlich war. Sie wird Dich wieder aufsuchen. Bsi dahin bist Du schon weitergezogen. Die nächste Bubble de-bubblen. Bald bist Du einer von uns.
Und was wird dabei eigentlich aus „Feigenbutz Industries“? Das ist das poetisch fatale des Freidenkens: Kein Plan! Das Unternehmen wird in Best- wie auch Worst-Practices Kolumnen zu finden sein. Practices, die keiner wagt zu kopieren. Innovation wird nicht erzwungen, sie ist keine Strategie, sondern sie passiert. Die Wirtschaftsjournalisten übernehmen ex-post die Formulierung der Strategie, die dahinter steckt. Und nur damit gelingt es Simon, sich gegenüber den Investoren für die eingeschlagenen Wege zu rechtfertigen. Und ganz nebenbei wird die Strategieentwicklung outgesourced – kostenlos.
Wir dürfen träumen, Simon.