Schneller ist entzückt als die Anfrage von Möbolio eintrifft. Denn er ist gerade privat an einem neuen Sofa interessiert. Die Kinder haben das Alte durch ihre Hüpforgien demoliert. Es braucht was ästhetisch robustes. „Vielleicht können wir das Projekt-Honorar durch Gutscheine aufstocken“ schlägt er Garzarolli vor. Schneller mag nämlich die Designs des aufstrebenden Berliner Möbel-Startups. Garzarolli kannte die Bude noch nicht, denn er liebt Antiquitäten, die zum Kaufzeitpunkt zwischen 40 und 50 Jahre alt sind. Einen ausführlichen Beitrag zu seiner Inneneinrichtung liefern wir gerne bei genügend Nachfrage. (Anm. d. Red.: Bitte bitte fragt nach!)
Die ästhetische Perfektion
Es kommt, wie es kommen muss. Möbolio liebt unser Freidenken und die Mischung aus antiquierter und hipster Anmutung. Wir dürfen sie für drei Monate bei der Produktinnovation unterstützten. Wie der Zufall es will, ist unser erster Auftrag die Entwicklung einer neuen Sofa Linie.
Zur Inspiration laden Garzarolli & Schneller die drei Geschäftsführer auf eine experimentelle Reise durch Deutschland ein. Da Möbolio den Deutschen Massenmarkt bedienen möchte, gilt es den Sinn für Ästhetik der Deutschen Bevölkerung einzufangen. Die Geschäftsführer erhalten hierfür je eine Polaroid-Kamera, um die Momente der ästhetischen Perfektion festzuhalten. Garzarolli hat für jeden Buchstaben im Alphabet eine Ortschaft ausgewählt, die schon im Namen herausragendes Design verspricht. „Wir starten in ‚An der Schmücke‘, danach gehts weiter nach ‚Blender'“ verrät uns Garzarolli die ersten zwei Stationen.
Eine Arbeitswoche, neue Freundschaften und 873 Polaroids später treffen wir uns wieder in Berlin, um uns und die Momentaufnahmen zu sortieren. Wir ordnen nach Farben und nach Inhalten. Nichts! Wir erkennen daraus nichts. Wir ordnen nochmals neu nach Tageszeit und Größe der Ortschaft. Immer noch nichts. Nun erhöhen wir den Alkohol-Pegel und starten nochmals einen letzten Versuch. „Wir markieren alles, was wir in identischer Form auf mindestens zehn Polaroids wiedererkennen.“ schlägt Garzarolli vor. Wir sind alle müde und machen einfach mit.
Größer ist besser
Am nächsten Morgen werten wir aus. Wenn unser Ansatz den Kern des Deutschen Geschmacks widerspiegelt dann besteht dieser aus Bierkrügen, Golfs, Polospielern, angebissenen Äpfeln, drei Streifen, Wurst, Pommes, Swooshs, Fachwerk, katholische Kreuze, Mercedes Sterne, Camp Davids, Fichten, Kartoffeln, Straßen ohne Fahrradstreifen, CDUs, Bild, Spargeln, Masken und Superdrys. Wir filtern weiter und behalten nur bei, was einen Anspruch an Ästhetik hat: Golfs, Polospieler, angebissene Äpfel, drei Streifen, Swooshs, Fachwerk, Mercedes Sterne, Camp Davids und Superdrys.
Bingo! Bam! Tschakka! „Da ist sie unsere bahnbrechende Innovation!“, brüllt Garzarolli, „Die Deutschen stehen auf fette ostentative Marken und der Möbelmarkt hat das bisher komplett ignoriert.“ Schneller zweifelt zuerst, ist aber bald auch All-In. „Wer riesengroße Markenzeichen auf seiner Brust trägt, der will doch bestimmt auch riesengroße Markenzeichen auf seinem Sofa. Mehr Fläche ergibt noch größere Polospieler und Swooshs.“
Sofas sind keine Menschen
Die Geschäftsführer von Möbolio machen nur mit, weil es sonst noch schwieriger wäre, unsere Honorare zu verargumentieren. Wir schließen lukrative Deals mit den renommiertesten Bekleidungsmarken ab. Bald darauf treffen von der Designabteilung schon die ersten Prototypen für die neue Sofalinie ein:
Wer hat seit dem Launch so ein Sofa im Wohnzimmer stehen? Ganze 7 Haushalte in Deutschland. In anderen Worten, irgendetwas lief schief, massiv schief. Garzarolli verarbeitet die Geschehnisse mit Musik und Heideblüten-Smoothies. Schneller’s Form, den Misserfolg zu verdauen, sind überteuerte Sessions mit seiner Coach. Ihr Kommentar zu unserem Unterfangen: „Ihr habt eine Menschensofa kreiert. So würden Sofas aussehen, wenn sie das Selbstbewusstsein der Menschen hätten.“
Möbolio gibt es unterdessen nicht mehr. Die Überzüge der vorfabrizierten Sofas wurden zu einer T-Shirt Linie wiederverwertet. Die Sofas wurden mit einem Lederimitat neu gepolstert und stehen nun bei einem Möbeldiscounter zum Verkauf. Zumindest dürfen wir uns jetzt Upcycling Experten nennen.