Garzarolli ist unterwegs zu einem Kundentermin. Ein erstes Date mit dem Innovationsdirektor eines gehobenen Mittelständlers steht an. Irgendwo im mittelmäßigen Deutschland. Garzarolli steigt in den Zug, es ist früh und es regnet. Was alles noch schlimmer macht ist, dass Schneller nicht dabei ist. Er hat vor 10 Minuten abgesagt. Schneller fiebert. Schneller isst zu wenige Knödel. Dadurch ist sein dünner ausgezehrter Körper nicht widerstandsfähig genug, um in dieser Jahreszeit fiese Viren abzuwehren. Garzarolli nimmt seinen reservierten Platz ein und legt Schnellers Ticket und Platzkarte auf den eigentlich für Schneller reservierten Platz gegenüber. 

Die Geschichte der Lobotomie 

Der Innovationsdirektor, nennen wir ihn Dr. Frank B, hat eine konkrete Fragestellung in den Ring geworfen. Es ist eine gar nicht doofe Frage. Er schrieb: “Wir sind total in uns selbst gefangen. Wie können wir im Unternehmen den Perspektivwechsel üben?” Was das Ganze noch schwieriger macht ist, dass der Innovationsdirektor der einzige seiner Abteilung und damit komplett alleine auf sich gestellt ist. Er ist ein Direktor ohne Mitarbeiter, Häuptling ohne Indianer, er kann nicht einmal in den benachbarten Abteilungen naschen. Dieser Direktor ist Akteur eines tragischen Missverständnisses. Um seine Isolation im Unternehmen auszugleichen, schreibt Dr. Frank B wahrscheinlich immer im Plural majestatis

Vorgestern am Telefon sagte Schneller noch. “Wir überlegen uns was im Zug. Wahrscheinlich braucht es nur einen kleinen Schnitt, um seine rechte Hirnhälfte von der linken zu trennen. Lobotomie, eben.” Bei Schneller weiß man nie, wann er Witze macht. Garzarolli sieht bei Wikipedia nach: “Diese Hirnoperationstechnik wurde von Mario Fiamberti (1894–1979) in Italien und António Egas Moniz in Portugal gleichzeitig in Angriff genommen. 1936 wurde sie erstmals am Menschen ausgeführt. Moniz wurde dafür 1949 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet.” “Na, das klingt ja vielversprechend”, denkt Garzarolli. Aber seine Zuversicht wird schon zwei Zeilen später erschüttert:  „Die Psychochirurgie erlangt ihre Erfolge dadurch, dass sie die Phantasie zerschmettert, Gefühle abstumpft, abstraktes Denken vernichtet und ein roboterähnliches, kontrollierbares Individuum schafft.“ Nein. Lobotomie ist keine Option.

Garzarollis Gedanken fließen nicht. Was kann er Dr. Frank B raten (außer sich einen neuen Job zu suchen)? Was würde Schneller jetzt sagen? Aber Garzarolli spürt Schneller gerade nicht. Garzarolli ruft Schneller an, doch sein Handy ist aus. Der ICE fährt mittlerweile mit 230 km/h Richtung Mitteldeutschland.

Garzarolli erinnert sich endlich an das, was er selbst gerne predigt: Er folgt seinem ersten Impuls. Er plündert zwei Bord-Toiletten. Mit den zusammengerafften Papierhandtüchern will er einen Schneller bauen. Sein eigener Reiserucksack soll Becken und Unterleib werden, die stabile Basis. Beine braucht es nicht. Garzarolli zieht seinen Pullover aus, stopft ihn mit Papierhandtüchern aus und setzt ihn auf den Rucksack. Ein wenig schief, aber er steht. Jetzt der Kopf: Er knüllt etwa 40 Papierhandtücher zu einer Kugel zusammen. Das hält nicht. Garzarolli geht in das Bordrestaurant und bestellt Sauerkraut (Haare, Bart), ein Wiener Würstchen (Mund), zwei Königsberger Klopse (Augen) und Klebefilm. Es ist eine ganz schöne Kleckerei, aber zum Glück hat Garzarolli noch ein paar Papierhandtücher über. Nach einer halben Stunde ist der Papier-Schneller fertig. Er ist nicht so beeindruckend wie ein echter Schneller, aber für den Zweck muss es reichen. Zufrieden reibt sich Garzarolli die Hände. Jetzt kann es losgehen. 

Dialog mit Schneller

“Wie geht es Dir?”, beginnt Garzarolli das Gespräch. Schneller lässt nicht lange mit einer Antwort warten: “Ich habe Muskelkater vom Radfahren und Tennis. Noch Kacke vom Kleinkind an den Händen und im Mund einen Alu-Geschmack.” Da ist sie wieder, die Energie! Schneller ist präsent. Jetzt kann der Dialog beginnen: “Ich bin gegen Lobotomie”, sagt Garzarolli. In dem Moment betritt eine Fahrkartenkontrolleurin das Abteil. Garzarolli zeigt ihr beide TIckets. Die Frau will etwas sagen, weiss aber nicht, was. Die Tickets sind korrekt, ebenso die Platzkarten. Die Kleckerei auf dem Sitz hat Garzarolli sorgfältig beseitigt. Gegen eine leise Unterhaltung ist auch nichts einzuwenden. Es ist ja kein Ruheabteil. Sie sagt: “Ich wünsche Ihnen eine gute Fahrt.” Das kann Einzahl und Mehrzahl sein. 

Nur Schnellers Lachen fehlt

Noch eine Stunde bis Mitteldeutschland. Garzarolli ist zufrieden. Im Dialog mit Schneller konnte er alle Fragen klären. Ohne den realen Schneller läuft es sogar irgendwie … konstruktiver. Garzarolli überlegt, wie er Schneller jetzt entsorgen könnte. Einerseits hat er Hunger (Würstchen, Sauerkraut, Klopse), auf der anderen Seite wäre es wie Anthropophagie. Das fühlt sich nicht korrekt an. Wohin mit all den Papierhandtüchern? Da denkt Garzarolli an Dr. Frank B. und beschließt, ihm den Papier-Schneller zu schenken. Es wird nicht einfach, die Figur durch den Regen bis zum Kunden zu bringen, ohne dass ein Würstchen verrutscht. Aber Garzarolli hat schon Schwierigeres geschafft. 

Dr. Frank B war übrigens begeistert. Erst war er natürlich skeptisch. Aber schnell war er überzeugt. Mittlerweile lassen wir Schneller als lebensgroße Papp-Aufsteller produzieren. Es ist das am meisten nachgefragte Produkt aus unserem Portfolio. Es kannibalisiert einige unserer anderen Formate. Zum Beispiel “Experimental Travelling”. Das wird kaum noch nachgefragt. Schade auch. Schnellers Lachen ist nämlich wirklich toll. 

Den Dr.-Olivier-Schneller-Pappaufsteller als Gegenüber über Augenhöhe können Sie hier bestellen.

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