Es gibt nur einen Menschen, der sich in Abwesenheit von Kindern genauso verhält wie in ihrer Anwesenheit. Das ist Garzarolli. Schneller ist beeindruckt von dieser Geradlinigkeit. Garzarolli seinerseits versteht die Welt nicht. „Warum?“ will er von Schneller wissen. Schneller hat zwar keine Ahnung, tut aber wie immer so, als hätte er viel davon. „Wir müssen uns anthropologisch der Antwort nähern. …“
Für Garzarolli und Schneller steht ein neues Projekt an. Es handelt sich um das Traditionshaus Frigo & Söhne. Ja, die Kultur ist genauso wie ihr sie euch vorstellt. Patriarchalisch, hierarchisch, autoritär, misstrauisch, jähzornig, siloartig, …. Ihr wisst schon.
Giovanni Frigo, der Geschäftsführer in 5. Generation, hat erkannt, dass sie agiler werden müssen. Über Scrum hat er viel gelesen. „Wir brauchen Scrum, könnt ihr das?“ fragt er uns. Garzarolli hat inzwischen in Sachen Akquise schon viel von Schneller gelernt. Er prescht vor und gibt ein leidenschaftliches „JA!“ von sich. Schneller ist stolz. Wir haben den Auftrag.
Office Home statt Home Office
Beim Anstoßen auf den neuen Auftrag greift Garzarolli das alte Thema wieder auf. „Wie ist mein Verhalten eigentlich? Verhalte ich mich mit Kindern wie mit Erwachsenen? Oder umgekehrt?“ Schneller versteht die Frage rhetorisch, nimmt den Impuls aber auf. „Wenn wir uns Menschen mit oder ohne Kinder so unterschiedlich verhalten, wie würde denn eigentlich die Arbeitswelt aussehen, wenn die Kinder ständig anwesend wären?“ Garzarolli geht einen Schritt weiter. „Lass uns das mit den Frigos ausprobieren! Wir machen nicht Scrum, sondern machen daraus eine neue Beratungs Methode. Die Serious Child Methode. Wir führen bei denen nicht Home Office ein, sondern Office Home. Die Arbeit wird nicht nach Hause gebracht, sondern das zu Hause ins Office.“ Schneller ist begeistert. „Das ist genial. Einen Monat lang sind alle bei Frigo & Söhne verpflichtet, ihre Kinder mit zur Arbeit zu nehmen.“ Und so schnell steht der Plan.
Corona kommt dazwischen, verschiebt den Projektstart, spielt uns aber auch in die Karten. Giovanni hat an uns gezweifelt, als wir von Scrum abgewichen sind. Aber mit der aktuellen Situation bekommt Office Home eine neue Dynamik, denn die meisten Mitarbeiter brauchen aufgrund der Schul- und Kita-Schließungen eine Lösung für ihre Kinder. Sie für die Arbeit zu instrumentalisieren ist eine willkommene Alternative, zur Instrumentalisierung der Eltern als Lehrer- und Erzieher-Ersatz. Wir drehen also den Spieß um – was können wir mit und von den Kindern lernen?
Wir zweifeln, also sind wir
Es geht los. …. “Kinder, die lesen und schreiben können, in die Produktion”, erklärt Schneller. “Kinder, die reden, aber nicht lesen können in Meetings, Workshops und die Vertriebsabteilung! Und Kinder, die nur sabbern können, in die Produktentwicklung!” “Sind Sie verrückt?”, challenged uns Giovanni Frigo: “Je anspruchsvoller die Aufgabe, desto beschränkter die Kinder?” “Sie haben keine Kinder, oder?”, packt ihn Schneller bei den Hörnern. Frigo zuckt mit den Achseln und hat verloren.
Dabei haben Schneller und Garzarolli selbst Zweifel, die sie sich natürlich nicht anmerken lassen. Garzarolli schwitzt ein wenig mehr, als sonst. Ein Monat ist eine lange Zeit, in der viel schiefgehen kann. Frigo & Söhne gibt es seit 145 Jahren. Auch wenn uns Giovanni nicht sympathisch ist, wollen wir nicht schuld sein, wenn jetzt alles den Bach runtergeht. “Genies haben immer Zweifel”, tröstet ihn Schneller. “Das zeichnet uns aus. Diese Zweifel machen uns stark!”
Fiasko für Frigo
Das Experiment Serious Child war ein Fiasko. Ein totales Fiasko. Für Giovanni Frigo und das gesamte Upper Management. Alle waren danach total demoralisiert. “Wir sitzen nur hier, weil es in diesem Land ein Verbot für Kinderarbeit gibt”, fasst es Renzo, Giovannis kleiner Bruder zusammen. Denn in diesem Monat legte Frigo & Söhne den Grundstein für das erfolgreichste Quartal seiner Geschichte. Wenn man bedenkt, dass es zwei Wochen Anlaufschwierigkeiten gab, ist das wirklich gigantisch.
Garzarolli & Schneller haben wie immer unterschiedliche Erklärungen dafür, wie es dazu gekommen ist. Für Garzarolli haben die Kinder in diesem Monat die Führung übernommen. Dabei waren sie einfach um Längen besser, als ihre Eltern. Im Freidenken, im Verhandeln, darin, Dinge in der Produktion schön einfach zu machen, im agil sein und einfach mutig ausprobieren sowie natürlich auch im Sabbern, fröhlich Kacken, Work-Life, Gamen, Zoffen, Heulen, Versöhnen… Dass Garzarolli den Umsatzrekord so interpretiert liefert womöglich die Antwort auf seine Frage, ob er sich kind- oder erwachsenenkonform verhält. Mal schauen, ob er darauf kommt.
Schneller erklärt sich die Wirksamkeit der Serious Child Methode anders. Das war Kulturwandel par exellence. Ab dem Moment wo die Kinder, die Geschäftsräume betreten haben, haben fast alle wie von Geisterhand anders kommuniziert und kollaboriert. Insbesondere das Upper Management ist von einer Sekunde auf die andere von autoritären Arschlöchern zu menschlichen Mitmenschen mutiert. Denn vor Kindern gehört es sich nicht, kein Vorbild zu sein. Einzig Boris Baum und Daria Medusa waren resistenter und erst das wiederholte „Das macht man nicht!“ „Scheiße sagt man nicht“ „Hör auf zu streiten, ab in die Strafecke“ aus den Mündern der Kinder hat sie gezähmt. Durch diese kulturelle Revolution hat Frigo & Söhne zum ersten mal seit 145 Jahren erlebt, was es bedeutet, an einem Strang zu ziehen.
Back to the Future
“Geh weg, Grönemeyer”, stöhnt Garzarolli. “Das dürfen wir keinesfalls weitererzählen. Sonst will Herbert der Soundtrack für unser Beratungsformat sein.” Schneller kennt Grönemeyer nicht. Er ist in den Schweizer Bergen sozialisiert worden. Yello ist sein Maßstab. Manchmal knicken wir ein erfolgreiches Format einfach, weil wir nichts mehr fürchten, als die Rückkehr der 80er…