Schneller und Garzarolli haben sich ein Büro gemietet. Nur für einen Monat. Das ist für sie dennoch ein großer Schritt. Warum haben sie das getan? „Ich brauche gerade ein Gefühl für Realität“, hatte Garzarolli gesagt. „Wir sind mir gerade zu viel on-off.“ Schneller hat daraufhin ein Büro gemietet, weil er das lustig findet. Auf Kisten hat er natürlich keinen Bock.

Zur  Eröffnung hat Garzarolli Blumen mitgebracht, aber keine Vase. Schneller und Garzarolli liegen nun auf dem Rücken auf dem Boden, ihre Jacken als Polster unter den Nacken geschoben. Stühle gibt es auch nicht. Ihre Telefone haben sie in die Mitte gelegt, die Blumen außen um sich herum arrangiert. Es riecht nach Amsterdam und Van-Gogh-Style-Impressionismus. Seit Stunden dringt kein Geräusch von außen in ihr kleines Idyll.  Das leise Wimmern der Schnittblumen nach Wasser ist mittlerweile in ein Brüllen übergegangen. „Sterben müssen sie sowieso“, meint Schneller.

Sie haben vereinbart, dass jeder das Telefon des anderen annimmt, falls ein Anruf hereinkommt. Egal, was. Am zweiten Tag fragt Schneller: „Wie findest Du unser Büro?“ Garzarolli denkt einen Tag darüber nach bevor er sagt: „Wir sind jetzt eine Institution.“ Das gefällt beiden und sie machen das Bier auf, das Schneller gerade mitgebracht hat. Bier um neun ist speziell. Aber das Bier ist noch kalt und Schneller und Garzarolli haben in ihrem Büro keinen Kühlschrank. “Wir können ein Detektivbüro aufmachen“, meint Schneller. „Stell Dir vor, welche interessanten Geschichten wir zu hören bekommen. Und Zeit haben wir ja genug.“

In der zweiten Woche, Mittwoch gegen 11:30,  kommt tatsächlich ein Anruf. Garzarolli nimmt ihn an. Er hört geduldig zu, bevor er antwortet: „Design Thinking? Nein, wir machen Freidenken. … Sorry, da sind sie bei uns falsch.“ Garzarolli legt auf. „Bist Du bescheuert?“, ruft Schneller. „Das nächste Mal gehst einfach Du ran“, murmelt Garzarolli beleidigt.

Design. Think. Baby!

Zwei Wochen später finden sich Schneller und Garzarolli tatsächlich als Moderatoren in einem Design Thinking Workshop wieder. Schneller hat das geregelt. Routiniert, charmant, wie eben nur Schneller es kann. „Du wirst sehen, es wird großartig“, meint Schneller. Wer jetzt denkt, sie stehen tatsächlich im Begriff, einen Design-Thinking-Workshop abzuhalten, kennt die beiden schlecht. Sie haben alle Ingredienzen eines Design-Thinking-Workshops aufgegriffen, geschüttelt und in eine neue völlig sinnlos-randomisierte Ordnung gebracht. Schnellers Denke: „Wir heilen sie von ihrer Methodengläubigkeit. Wir lassen sie spüren, dass Innovation nach Rezept nicht klappt. Dafür konfrontieren wir sie mit Unsinn, um sie aus ihrer Methoden-Konsum-Haltung herauszulocken und sie gedanklich zu aktivieren. Dann machen wir mit ihnen Freidenken.“ Garzarollis Einschätzung: „Nach 20 Minuten werden Sie spüren, dass was nicht stimmt, dann tickt der Managing Director Latvia aus und bricht das Ganze ab.“

Beides trifft nicht zu. Die Gruppe von 12 Teilnehmern hat unwidersprochen alle Übungen mitgemacht. Schnellers Provokationen und Garzarollis leise Andeutungen und misslungenen Scherzchen liefen allesamt ins Leere. Gegen 16:30 steht der Managing Director Latvia auf, streckt sein Rückgrat durch wie eine junge Weidengerte und gähnt. „I think we all agree this was more than enough. On behalf of my team I want to thank you. We now know what Design Thinking can do.” Schneller und Garzarolli bleiben fassungslos zurück und verbringen 2 Stunden schweigend damit, Post-its einzusammeln und korrekt zu entsorgen. 

Eine Illusion von Struktur, Schnelligkeit und Sicherheit.

Immerhin können sie jetzt die Büromiete für 3 Monate bezahlen und sich eine Vase kaufen. Die drei Monate investieren sie in das Erschaffen weiterer genialer Formate. Denn Schneller und Garzarolli bieten jetzt unter anderem auch ADT (Advanced Design Thinking) an. Es ist ein trojanisches Pferd. Dahinter steckt reine Anarchie und Methodenfreiheit, die das freie Spiel der Synapsen für echt originelles Denken ermöglichen. Wir holen unsere Kunden da ab, wo sie stehen: auf ihrer hocheffizienten KPI-Überholspur. Wir geben ihnen, wonach sie verlangen: Eine Illusion von Struktur, Schnelligkeit und Sicherheit. Und dann zwingen wir sie zu ihrem Glück. Das ist jedenfalls der Plan.

Das Telefon läutet. Schneller geht ran.  Er scherzt, komplementiert, zückt den Kalender, vereinbart Termine. „Unser Managing Director Latvia hat uns empfohlen“, lacht Schneller. Wir machen jetzt Design Thinking für das ganze Unternehmen. Ein Team nach dem anderen. Halte Dir mal die nächsten beiden Jahre frei!“

„Wenn unsere Kunden Design Thinking wollen, warum machen wir nicht eigentlich Design Thinking? Also ohne Advanced“, fragt Garzarolli, nachdem er sich vom ersten Schreck erholt hat. „Wir sind doch eigentlich beide ausgebildete zertifizierte Trainer.“ Schneller schüttelt den Kopf: „Es wird Zeit, dass wir dieses Büro-Experiment beenden.“

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